Dialoge

David Schnell, Splitter, 2018, Echt-Antikglas in mehreren Stufen geätzt, auf Floatglas laminiert, mit Schmelzfarben gemalt, 3-teilig, je 253 x 115 cm, Kunstsammlungen Chemnitz, erworben mit Mitteln der Sächsischen Landesstelle für Museumswesen und der großzügigen Unterstützung durch den Freundeskreis der Kunstsammlungen Chemnitz, des Künstlers und der Galerie EIGEN + ART Leipzig/Berlin, Foto: Uwe Walter, Berlin © VG Bild-Kunst, Bonn 2020

Stephan Balkenhol (*1957)

Relief, 1986

»Ich wollte die Figuren … vom Charakter, vom Ausdruck her immer so offen wie möglich halten und sie nicht durch einen expressiven Ausdruck festlegen. Ich wollte einen Ausdruck, von dem man sich alle anderen Gemütsfassungen denken konnte, von dem ausgehend, praktisch alles möglich ist.«

(Stephan Balkenhol, 1992)

 

Georg Baselitz (*1938)

Paint Painter, 2007

Das Motiv bezieht sich auf verschiedene Vorgänger, die Georg Baselitz in diesem Gemälde auf eine neue Art »re-mixt«: das 1966 geschaffene Bild Ein moderner Maler. Die untere Hälfte hingegen verweist auf das 1969 entstandene Gemälde Der Wald auf dem Kopf. In diesem Jahr hatte Baselitz begonnen, seine Motive auf dem Kopf zu malen; eine Technik, die zu seinem »Markenzeichen« werden sollte.

Seine Anti-Helden, die er damals schuf, waren weder mit Heldenbildern der Vergangenheit, noch mit den neuen Heldenbildern des Sozialismus und Kapitalismus kompatibel. Mehrfach schuf der Künstler triebstarke Körperkolosse mit kleinem Kopf, uniformierte, traumatisierte Männer in zerstörten Naturlandschaften. In Paint Painter (den Maler malen) spielt Baselitz zudem mit einer mehrdeutig obszönen Geste der hockenden Figur.

 

Daniel Buren (*1938)
Fibres optiques – Bleu foncé Diptyque EE1 + FF1, travail situé, Diptychon, 2014

Der französische Künstler Daniel Buren hat in den späten 1960er Jahren ein System aus fest definierten Streifen festgelegt, das ihm als konzeptuelles Werkzeug der Bild, Material- und Raumerkundung dienen sollte. Die Streifen, in unterschiedlichen Farben zu weißen gesetzt und immer exakt 8,7 cm breit, sind zu seinem Markenzeichen geworden. 2013/2014 entstand eine Serie mit geometrischem Dekor, die sowohl als Wandvorhang als auch Raumbeleuchtung gleichermaßen wahrnehmbar ist. Das Trägergewebe aus Glasfasern entwickelte der Künstler in Zusammenarbeit mit der Lyoner Firma Brochier technologies.

 

K.O. Götz (1914–2017)

Triphell, 1993

Karl Otto Götz gehört zu den wichtigsten Vertretern des Informel in Deutschland. Diese Stilrichtung prägte ab ca. 1950 als Pendant zum Abstrakten Expressionismus in den USA während knapp eines Jahrzehnts maßgeblich die Kunst der Bundesrepublik Deutschland. Seine spontane, dynamische Malweise ist wesentlich durch die von ihm im Sommer 1952 gefundene Maltechnik geprägt: Auf feuchten Kleister aufgebrachte Farbe reißt er in einer schwungvollen Bewegung mit dem Rakel – einem Schieber mit einer Gummilippe – auf. Der Titel Triphell verweist wie viele Werktitel des Künstlers auf die nordische Sprache und Mythologie. Das Gemälde sowie ein Relief, 142 Lithografien und fünf Entwurfszeichnungen für die Glasfenster im Treppenhaus hat der Künstler den Kunstsammlungen zwischen 1992 und 2004 geschenkt.

 

Jörg Immendorff (1945–2007)

Café Deutschland Erbe, 1983

Jörg Immendorff war fasziniert davon, historische Zusammenhänge durch das zeitgleiche Darstellen verschiedener Ereignisse und Personen im Bild zu verdeutlichen. Er setzte sich malerisch mit seiner Umwelt und dem Zeitgeschehen auseinander. In einem großen, hauptsächlich blau-schwarzen Durch- und Nebeneinander treten immer wieder einzelne Personen, Gegenstände und Zusammenhänge hervor, wie beispielsweise die Details zur deutschen Teilung in der oberen linken Ecke.

 

M+M (Marc Weis *1963 + Martin de Mattia *1965)

Vatikan 1 (aus: Tessuti), 2019

In der Ausstellung M+M. Fan der Menschheit, die 2019 in den Kunstsammlungen am Theaterplatz zu sehen war, griffen die neuen Werke aus der Serie tessuti den Bezug zur traditionsreichen Textilindustrie in Chemnitz und speziell zur Textilsammlung der Kunstsammlungen Chemnitz auf. Zur Herstellung der Werkserie reisten beide nach Venedig, um dort die an alten Holzwebstühlen produzierten Jacquard-Stoffbahnen en detail abzufilmen und anschließend die Filme in ihre einzelnen, digitalen Elemente zu zerlegen. Beim erneuten Zusammenfügen dieser Filmsequenzen entstanden neue Muster und Strukturen, die dazu einladen den Blick auf die luxuriösen Stoffe und deren Einsatz in den politischen und religiösen Machtzentren dieser Welt neu zu reflektieren.

 

Michael Morgner (*1942)

Schweißtuch, 1986

Formal besteht das Gemälde aus 16 gleich großen quadratischen Blättern, die jeweils mit einer einzelnen geprägten Figur versehen sind. Die auf einer Leinwand aufgebrachten Papiere bilden eine Rasterstruktur. Der Titel Schweißtuch verweist auf die christliche Legende der heiligen Veronika. Diese soll Christus auf dem Weg zur Kreuzigung ihren Schleier gereicht haben. Im Tuch blieb der Abdruck seines Antlitzes dreimal zurück.

Das Gemälde Schweißtuch gehört zu dem vierteiligen Zyklus Einsiedel 5.3.1945. Damals wurde Einsiedel weitgehend zerstört. Der Künstler hat als Kind zusammen mit seiner Mutter die Bombennacht im Luftschutzkeller erlebt. Schweißtuch ist die letzte Bildtafel der Reihe und zeigt »das Leichentuch über den Opfern«.

 

Henrike Naumann (*1984)  

Bergarbeiterkneipe (aus der Serie: DDR Noir), 2018

Dieses skulpturale Ensemble entstand 2018 als Teil einer größeren Installation mit dem Titel DDR Noir. Integriert in die fiktionalisierte Bar aus Second-Hand-Möbeln ist das Gemälde Zwickauer Kumpel des Malers Karl Heinz Jakob (1929–1997), ein in der DDR viel geachteter Künstler, der zudem der Großvater der Künstlerin war. Das Gemälde stammt aus dem Fundus der Großmutter, anders als die Möbel, Alltagsgegenstände aus den frühen 1990er Jahren, im Stil der Postmoderne, die die Neuausstattung der DDR-Alltagskultur in der Wendezeit kritisch befragen. Schichtwechsel: Altes wurde ausgemistet, Neues eingekauft. Erinnerungen der DDR in Schwarz-Weiß oder Farbe?

 

Markus Oehlen (*1956)

Ohne Titel, 2018

Markus Oehlen benutzt auf Holz getackerte Kordeln als Werkzeug, mit dem er seine Bilder stempelt. Die Druckplatten werden mit schwarzer und blauer Acrylfarbe auf großformatigen Nesselstoff gedruckt. Mit dieser Stempeltechnik erzeugt er eine spezielle grafische Textur und Materialität auf dem Stoff. Seine Bilder wirken wie flüchtig entstandene Kritzeleien mit dem Kugelschreiber. Das ausgestellte Werk entstand in Zusammenhang mit einer Ausstellung des Künstlers in den Kunstsammlungen Chemnitz im Jahr 2018.

Markus Oehlen lehrt seit 2002 lehrt in seinem Wohnort München als Professor für Malerei und Grafik an der Akademie der bildenden Künste.

 

Núria Quevedo (*1938)

30 Jahre Exil, 1971

Mit dem Ende des Spanischen Bürgerkrieges 1939 begann die Diktatur General Francisco Francos, die bis zu seinem Tod 1975 reichte. Für viele spanische Emigranten, wie auch Núria Quevedos Eltern, mit denen sie 1952 nach Berlin (Ost) kam, wurde die DDR zum langjährigen Zufluchtsort. Das Gruppenbild zeigt zehn Menschen: Männer, Frauen und ein Kind in zwei Reihen angeordnet. Quevedo malt veristisch verzerrt Charaktergesichter Ton in Ton. Ihre Lichtregie legt einen Schwerpunkt auf Kopf und Hände. Wolf Biermann schrieb ein Lied zu diesem Gemälde, noch vor seiner Ausbürgerung aus der DDR. In der Ballade von den Spaniern im Dresdener Exil beschreibt er die dargestellten Menschen: »[…] Stehn Haare um ein Steingesicht vom Warten grau, im Wartesaal der Weltrevolution.«

 

Olaf Rauh (*1968)

Playground # 7, 2001

Playground # 7 ist Teil einer Serie, die aus 12 großformatigen Lambda Prints besteht.

Olaf Rauh untersuchte in diesem Fotozyklus Orte des Spiels. Er umkreist sie mit Medien des digitalen Zeitalters und zeigt sie als Schnittstelle von gesellschaftlicher und virtueller Realität. Die Folge ist im Herbst 2001 in der Lower East Side in New York City entstanden. Inhaltliche Informationen reduzieren und formieren sich dabei zu simplen Architekturmodellen. Er arbeitete mit einem speziellen Lambda-Hochglanz-Film, der die Bildoberfläche wie unter einer Plastikschicht erstarren lässt.

 

Wim Wenders (*1945)

Two Cars and a Woman Waiting, Houston Texas, 1983

Der bekannte Filmemacher Wim Wenders begann während der Dreharbeiten zu dem Film Paris, Texas im Jahr 1983 zu fotografieren. »Ich war allein im amerikanischen Westen unterwegs und habe zum ersten Mal in meinem Leben mit Farbnegativ fotografiert.« Die damals entstanden Bilder wurden später unter dem Titel Written in the West veröffentlicht.

Der großformatige Abzug mit dem Titel Two Cars and a Woman Waiting, Houston, Texas aus dieser Serie ist eine der wenigen seiner fotografischen Arbeiten, auf denen Menschen zu sehen sind. Wenders Aufnahmen sind stets analog und ohne digitale Nachbearbeitung angefertigt. Nur der Bildausschnitt wird von ihm nachträglich inszeniert.