Galerie der Moderne

Hermann Haller (1880–1950)

Stehender Jüngling, vor 1922, Guss vor 1946

1924 erhielt die Städtische Kunstsammlung den Gipsguss Stehender Jüngling als Schenkung von dem Berliner Sammler Erich Göritz. Der Stucco war in der Galerie der Moderne zusammen mit grafischen Arbeiten von Emil Nolde und der Skulptur Puck (Schreitende) von Ernesto de Fiori in einem orangefarbenen Raum gezeigt worden. Die Gipsfassung ist verloren gegangen. Auch die präzise Herkunft des Bronzegusses (um 1922? / vor 1946!) ist nicht präzise bekannt. Der Schweizer Bildhauer Haller studierte an den Akademien in München und Stuttgart u. a. bei Franz von Stuck und Leopold Graf von Karlckreuth. Studienreisen führten ihn mit den Studienkollegen Paul Klee und Karl Hofer nach Italien, mit dem er viele Jahre eng befreundet war. Von 1909 bis 1914 lebte er in Paris, wo er auf die Künstler Ernesto de Fiori und Rudolf Levy traf. Von Aristide Maillol beeinflusst und von Georg Kolbe beeindruckt, wurde Hermann Haller mit seinen feinsinnigen Figuren einer der angesehenen Bildhauer der 1920er Jahre im deutschsprachigen Raum. Das Motiv der hinter den Kopf verschränkten Arme ist eher bekannt von weiblichen Aktdarstellungen. Androgyn ist der schlanke Männerakt, der fast tänzerisch posieren zu scheint. Auf einer Plinthe stehend, frontal dem Raum zugeneigt, wirkt die Figur mit ihrem zur Seite gesenkten Kopf zerbrechlich und versunken zugleich.

 

Erich Heckel (1883–1970)

Badende II, 1919

1923 stifteten die Chemnitzer Mäzene Fritz Fischer, Felix Stiegler und Georg Mecklenburg das Triptychon Badende für die Kunstsammlungen Chemnitz. Erworben hatten diese das Werk im Oktober 1922 direkt beim Künstler. Das Ensemble erhielt einen wichtigen Platz in der Galerie der Moderne, zusammen in einem Raum mit Edvard Munch und Karl Schmidt-Rottluff. Ähnlich wie das Gemälde Der Teich (bei Moritzburg) wurden das Triptychon über die Sammlung Gerstenberger 1937 verkauft und gelangte zunächst nach Amsterdam ins Stedelijk Museum. Die linke Tafel (I) befindet sich heute im Schleswig-Holsteinischen Landesmuseum Schloss Gottorf, die mittlere Tafel (III) im Nachlass von Erich Heckel in Hemmenhofen. Sie wurde allerdings später von Heckel stark überarbeitet.

1919 hatten Heckel und seine Frau Siddi ein Bauernhaus gekauft, das in der kleinen Bucht bei Osterholz an der Flensburger Förde lag. Die Steilküste, das flache Gewässer, der kristalline Stil wirken in dieser Zeit auf die Formensprache und die Motivik der Badenden ein.

 

Ferdinand Hodler (1853–1918)

Thunersee mit Stockhornkette, 1912

Die Landschaft des Thuner Sees mit den Berner Alpen im Hintergrund zählte ebenso wie der Genfer See über Jahrzehnte zu den bevorzugten Motiven des in Bern geborenen Künstlers. Mit einer klar gegliederten Bildkomposition, einer reduzierten, kühlen Farbigkeit von Blau, Grün und Weiß und wenigen malerischen Kürzeln ist dieses Spätwerk des Künstlers topographisch genau und malerisch modern.

Hodlers Gemälde war eine der frühesten Erwerbungen für die im Entstehen begriffene städtische Kunstsammlung. Im März 1913 reiste Friedrich Schreiber-Weigand im Auftrag der Stadt Chemnitz nach München, um an einer Aufsehen erregenden Versteigerung der Genfer Sammlung Louis S. Günzburger teilzunehmen. Der Großkaufmann und Inhaber des Modegeschäftes “Aux Elegants“ hatte damals eine bedeutende Hodler-Sammlung aufgebaut. Um ein Bild von Hodler zu erwerben, hatte die Stadt ihn mit der damals hohen Summe von 10.000 Mark ausgestattet. Für umgerechnet 5.700 Schweizer Franken gelang ihm der Kauf dieser Ansicht des Thuner Sees, die damals noch unter der (nicht korrekten) Ortsbezeichnung „Die Blümlisalp“ angeboten wurde.

 

Karl Hofer (1878–1955)

Altes Städtchen, 1924

In den Zwanziger Jahren verändert sich Hofers Malweise und wird sachlicher. Hofer, der erst nach dem Ende seiner Kriegsgefangenschaft und einem Aufenthalt in Zürich nach Deutschland zurückkehrte, hatte einen Ruf an die Berliner Kunsthochschule erhalten und stellte 1924 in Pittsburgh in den USA aus. „Ich habe mich nun in New Yorks Frankreich, Italien, Russland, Jerusalem und China herumgetrieben, vor allem aber in Harlem, wo Neger tanzten, ward Mitglied, oh shocking, eines Negerklubs, der mich des Öfteren als Gast sah“, schrieb Hofer in seiner Biografie (1953, S. 219.). So werden vermehrt Bar- und Varietészenen Thema seiner Bilder. Ganz anders wirkt diese sonnendurchflutete Szene in einem kleinen, menschenleeren Städtchen. Es kam 1926 als Ankauf von der Kunsthandlung Gerstenberger in das Museum. Schreiber-Weigand schätzte den damals international erfolgreichen Künstler Karl Hofer sehr, dessen Bilder einen wichtigen Platz in der „Galerie der Moderne“ einnehmen sollten.

Seit Beginn der 1930er Jahre äußerte sich Hofer kritisch gegen den aufkommenden Faschismus und war daher auch politischen Angriffen ausgeliefert. Am 30. Juni 1933 wird er aus dem Amt an der Kunsthochschule in Berlin entlassen; 1938 mit Arbeits-, Ausstellungs- und Verkaufsverbot belegt. Aber er malt dennoch weiter und kann im Verborgenen auch einige Bilder veräußern. Anders als das „Mädchen mit Kerze“ wurde dieses Gemälde – vielleicht aus Zufall – nicht beschlagnahmt und blieb der Sammlung enthalten.

 

Karl Hofer (1878–1955)

Fahnenträger I, 1913

Es gibt mehrere Fassungen dieses Bildes und auch später, Mitte der 1930er Jahre, greift Karl Hofer das Motiv der „Fahnenträger“ auf. Darstellungen von „Jünglingen“ und „Badenden am Strand“ sind seit Beginn des 20. Jahrhunderts en vogue, man denke an Gemälde von Sascha Schneider, Max Beckmann, Edvard Munch und vielen mehr. Der männliche Jugend- und Körperkult wurde mit Reformbewegungen, Antikenkult und erotischen Wunschvorstellungen verknüpft. Sie bot eine kulturelle Legitimation für die Verehrung eines jugendlichen ‚reinen‘ Körpers, wie er Frauen eher abgesprochen wurde. Fast orientalisch wirken die langgetreckten Silhouetten der vier Fahnenträger, die Figur in Rückenansicht trägt gar eine turbanartige Kopfbedeckung. Die Fahnen, eigentlich ein klassisch-militärisches Motiv, das hier ikonographisch aufgelöst wird, dienen als Bewegungs- und Gestaltungselemente. Der Mehrklang der Farben von Blau, Weiss und Rot mag man an die frz. Tricolore als Hommage an die Kunst und den Einfluss von Eugène Delacroix im Malstil erinnern. Karl Hofer hatte tatsächlich während seines prägenden Indienaufenthalts 1913 männliche Modelle gezeichnet. Er war von dort zunächst direkt nach Paris zurückgekehrt, siedelte dann Ende des Jahres nach Berlin über.

Diese Fassung der „Fahnenträger“ kam 1980 durch eine testamentarische Schenkung in die Sammlung. 1922 hatte das Museum Hofers „Mädchen mit Kerze (Die Begegnung)“ erworben (heute im Behn-Haus Lübeck). Hofers politisch-kritische Eindeutigkeit garantierte auch ihm einen Platz auf die Beschlagnahmungslisten der Nationalsozialisten.

 

Ernst Ludwig Kirchner (1880–1938)

Blaue Brücke, 1913

1911 zogen die Brücke-Mitglieder Ernst Ludwig Kirchner, Karl Schmidt-Rottluff und Erich Heckel nach Berlin. Die Maler Max Pechstein und Otto Mueller lebten bereits seit 1908 in der Hauptstadt. Welch ein Gegensatz zur Dresdner Zeit, in der sich die Künstler vor allem durch die Aufenthalte an den naheliegenden Moritzburger Teichen oder den Objekten im Dresdner Zwinger inspirieren ließen. Kirchners Berliner Stadtdarstellungen sind von einer impulsiven, schillernden und rastlosen Turbolenz erfasst und nehmen zugleich spezifische, architektonische Besonderheiten im Stadtbild auf. Hier greift der Maler das Motiv der „Blauen Brücke“ im Stadtzentrum auf.

Historische Aufnahmen der Galerie der Moderne aus den 1920er Jahren zeigen zwei Gemälde von Ernst Ludwig Kirchner „Die weiße Kuh“ (1925 erworben. – 1937 beschlagnahmt. – heute Hamburger Kunsthalle) und das „Wohnzimmer“ (1925 erworben. – 1934 verkauft. – heute Hamburger Kunsthalle). Die 1919 und 1924 erworbenen Gemälde „Pferde auf der Weide“ (1919 Schenkung. – 1937 beschlagnahmt. – heute Privatbesitz, Paris) und „Selbstbildnis mit Frau“ (1924 erworben. – 1937 beschlagnahmt. – heute Nationalgalerie Berlin) dürften ebenso in diesen Räumlichkeiten gezeigt worden sein.

 

Ernst Ludwig Kirchner (1880–1938)

Figurenbild (Bundesfeuer), 1920/21

Nach Lebensabschnitten in Aschaffenburg (bis 1890), Chemnitz (1890-1901), Dresden (1901-1910), München (1903/04) und Berlin (1910-1918) siedelte Kirchner 1918 in die Schweiz, den Kurort Davos, über. Hier erholte er sich von traumatischen persönlichen Verlusten und Krankheit. Die Motive seiner Werke veränderten sich weg von den temperamentvollen Darstellungen der Dresdner und den imposanten Großstadtszenen der Berliner Jahre. Thema wird nun das unmittelbare Umfeld seiner neuen Wahlheimat. Die Landschaft, die für ihn so wohltuende einfache Lebensweise der Bewohner und auch regionale Sitten und Gebräuche setzt er auf eigene Weise ins Bild.

Auf diesem großformatigen Gemälde aus dem Jahr 1920/21 erinnert Ernst Ludwig Kirchner an ein für die Schweiz wichtiges Ritual: den Rütlischwur. Am 1. August, dem Nationalfeiertag, wird derart jährlich an die Gründung der Eidgenossenschaft gedacht. Hier feiert eine große Figurengruppe auf einer Hochalm vor einer Alpenkulisse im nächtlichen Licht am Bundesfeuer. Vier Gemälde des Künstlers und Mitbegründers der Künstlergruppe Die Brücke befanden sich Mitte der 1920er Jahre in der Sammlung. Ihr bitterer Verlust ist heute durch bedeutende Dauerleihgaben  aufgefangen.

 

Oskar Kokoschka (1886–1980)

Selbstbildnis mit gekreuzten Armen, 1923

Das Selbstbildnis mit gekreuzten Armen entstand Anfang des Jahres 1923 und wurde 1925 unter vielen Mühen und mit Ratenzahlungen über zwei Jahre hinweg von der Galerie Arnold in Dresden erworben. In der damals gerade neu eingerichteten Präsentation der Galerie der Moderne hing Kokoschkas Selbstbildnis auf einer grünfarbigen Wand an exponierter Stelle. Oskar Kokoschka war 1917 nach überstandener schwerer Kriegsverletzung nach Dresden übergesiedelt. Von 1919 bis 1926 hatte er dort eine Professur an der Kunstakademie inne. Der Direktor der Dresdner Gemäldegalerie, der Kokoschkas Werke in seine Museumssammlung aufnahm, verschaffte dem Künstler einen großen Auftritt im deutschen Pavillon der 13. Biennale 1922 in Venedig; der Beginn einer internationalen Karriere.

Ende der zwanziger Jahre ging das Bild von Chemnitz aus auf zahlreiche Ausstellungen und galt damals wie heute als Inkunabel expressionistischer künstlerischer Selbstreflexion. Schon 1925 wurde in einer Rezension die „Kühnheit der farbigen Gruppierung“ bemerkt. Der dunkelkobaltblaue Rock im Kontrast zu der roten Krawatte vor dem Hintergrund mit „breiten Fetzen Gelb, zwischen den Fahnen Hellblau, Grün und Braun“ galt als „eine Sensation sondergleichen“. Der eindringliche Blick, die ungewöhnliche Gestik schaffen lebendigste Präsenz.

Ein jäher Verlust entstand mit dem Ausverkauf der modernen Sammlung nach 1933. Kokoschkas Selbstportrait war eines der ersten Gemälde, das von der nationalsozialistisch ausgerichteten Museumsleitung als „entartete Kunst“ bewertet und noch vor 1935 – Jahre vor der staatlich organisierten Beschlagnahme moderner Kunst – an die Chemnitzer Kunsthandlung Gerstenberger verkauft wurde und danach in Privatbesitz gelangte. Heute ist das Gemälde in Privatbesitz und ist nun als großzügige Leihgabe – dank der Vermittlung durch die Ferdinand-Möller-Stiftung Berlin – in Chemnitz zu sehen.

 

Wilhelm Lehmbruck (1881–1919)

Büste der Knienden, 1912-1914

Anfangs noch vom Naturalismus beeinflusst, löste sich Wilhelm Lehmbruck sehr früh von akademischen oder realistischen Darstellungsweisen und wurde mit überschlanken, vergeistigten Figuren in strenger architektonischer Bauweise berühmt. Zu den Hauptwerken seines Schaffens gehört der großgliedrige kniende Frauenakt, die der berühmte Kunsthistoriker Julius Meier-Graefe als „gotisch“ bezeichnete. Der Begriff des „Gotischen“ war auch auf die schmalen Knabendarstellungen von George Minne (1866–1941) angewandt worden. Heute gilt die Große Kniende (1911) als Musterbeispiel für expressionistische Skulptur. Ihre Ausstellungsgeschichte ist spektakulär. Ein Steinguss-Exemplar wurde bereits im Pariser Herbstsalon 1911 gezeigt, ein weiteres auf der Sonderbundausstellung 1912 in Köln und auf der berühmten Armory Show 1913 in New York, Chicago und Boston. In Amerika wurde Wilhelm Lehmbruck als französischer Künstler wahrgenommen. Von dieser Skulptur schnitt Lehmbruck in ungewöhnlich radikaler Form das Torsofragment einer Büste, die er zu seinen Lebzeiten in unterschiedlichen Materialien, sechs in Terrakotta, sieben in Steinguss und drei in Bronze fertigte.

Dieses Exemplar ist zu Lebzeiten des Künstlers entstanden und wurde ein Jahr nach dem Freitod des Künstlers 1920 von der Witwe Anita Lehmbruck erworben. Seltsamerweise gelingt es Lehmbruck, trotz des überraschenden Schnitts durch die Brust der Figur, gerade ihren Kopf als ganz eigenständig herauszustellen. Die ruhige Beseeltheit und Anmut der Figur vermittelt sich auch ohne die übrigen Gliedmaßen. Ihre Aura fesselte schon die damaligen Zeitgenossen.

 

Wilhelm Lehmbruck (1881–1919)

Kopf eines Denkers, 1918

Aus dem Brustkorb wächst der langgestreckte Hals. Frontal ausgerichtet mit weit ausgreifenden Schultern, enden die Armstümpfe des Oberkörpers in unregelmäßig torsierten Bruchkanten. Es entsteht eine klare Körpergeometrie, aus der sich die linke Hand des Mannes löst. Sie ballt sich vor der Brust, in der Gegend des Herzens, als suche das Denken die Tat, als sei Denken auch eine Herzenssache, als wäre das Denken auch ein körperlicher Akt.

Als Lehmbruck diese Arbeit schuf, war er mit seinen langgliedrigen, gotisch-gestreckten, expressiven Skulpturen international bekannt. Der Krieg und eine unglückliche Liebe belasteten ihn schwer. Der Heldenverehrung verweigerte er sich und schuf stattdessen die Figur Der Gestürzte (1917).

Lehmbruck greift mit dieser Büste bewusst nicht die klassische Tradition der  Denker- und Philosophenportraits auf. Sein Denker ist jung, asketisch und nackt. Vielmehr bezieht er sich auf Auguste Rodins „Denker“, der in ikonographischer Tradition der Melancholie auf einem Sockel sitzend, mit dem Arm den grübelnden Kopf stützt und dennoch athletisch gebildet bleibt. Ihm setzt er ein skulpturales Konzept entgegen, dass nach Vergeistigung, nach äußerstem Ausdruck sucht, die sich aus dem Material erarbeiten lässt.

Es war ein Glücksfall, dass die damals höchst moderne Skulptur als Geschenk von dem Mäzen Ferdinand Reich 1923 in die Sammlung gelang. Auch diese Skulptur wurde Opfer der Aktion „Entartete Kunst“ und gelangte über den Verkauf durch Karl Buchholz in die USA, wechselte mehrfach die Besitzer und konnte 1996, ein zweiter großer Glücksfall, durch massives Engagement zahlreicher Förderer und Mitwirkender erneut aus einer Auktion bei Christies in London wiedererworben werden.

 

Georges Minne (1866–1941)

Wasserträger, 1897/1909

Das Modell des Wasserträgers entstand bereits 1897. Es gehört zur frühen Schaffensperiode des Künstlers und zeigt den für Minne typischen Figurenstil mit zarten, zerbrechlich wirkenden Gestalten und einer überzeichneten Körperhaltung, die auch Einfluss auf Wilhelm Lehmbruck und Ernst Barlach nehmen sollte. Trotz der gestreckten Haltung und der Bewegung des Wasserstrahls, der mit der Sockelplatte verbunden ist, bleibt die Darstellung der Blockform des Steins verhaftet.

Der belgische Künstler, der einst bei Rodin studieren wollte und abgelehnt wurde, studierte an der Akademie in Brüssel und war oft zu Gast bei Henry van de Velde.

Auch damals wurden das Museum und die Galerie der Moderne durch Leihgaben bereichert. Die Marmorskulptur befand sich zwischen 1920 und 1945 in der Sammlung Alfred Esche. Im Chemnitzer Tageblatt vom 23.4.1926 wird auch Georges Minne als ausgestellter Künstler erwähnt. Da die Städtische Kunstsammlung damals noch kein eigenes Werk besaß, könnte es sich um eine zeitweilige Leihgabe der Esche-Familie gehandelt haben. 1981 wurde die Skulptur aus einer Auktion in der Galerie am Sachsenplatz in Leipzig erworben.

 

Edvard Munch (1863–1944)

Käte und Hugo Perls, 1913

Munch kam erstmals im Oktober 1905 auf Einladung von Herbert Eugen Esche nach Chemnitz. Als international geschätzter Portraitmaler, über Henry van de Velde vermittelt, schuf er in kurzer Zeit insgesamt 7 bedeutende Portraits der Industriellenfamilie. Die Beziehung von Chemnitz und Munch wurde in einer umfangreichen Ausstellung 1999/2000 aufgearbeitet. Schon zu Lebzeiten wurden Munch drei Ausstellungen in Chemnitz ausgerichtet, zunächst 1906 in der Kunsthütte, dann 1921 in der Kunstsammlung Gerstenberger und vor allem 1929 mit einer Retrospektive in den Kunstsammlungen. Dort wurde auch erstmals das 1928 erworbene Gemälde „Zwei Menschen“ gezeigt, das bis heute zu den berühmtesten Werken des Künstlers zählt. Das Bild wurde im Rahmen der Verfemungsaktion „Entartete Kunst“ beschlagnahmt und verkauft; ein tragischer Verlust. Heute befindet es sich in einer Privatsammlung in den USA.

 

Emil Nolde (1867–1956)

Parkweg, 1917

Aus einfachen Verhältnissen stammend, begann Emil Nolde seine „expressionistische“ Künstlerkarriere erst im mittleren Alter. Er wurde zeitgleich mit der jüngeren Künstlergeneration der Brücke, dessen Mitglied er 1906 wurde, und auch im Umfeld des Blauen Reiter bekannt.  Dieses Gemälde entstand 1917 nach dem Umzug von Berlin in das einsam gelegene Utenwarf an der Nordsee, wo Nolde sich verstärkt Blumen- und Landschaftsbildern zuwendete.

Ein kräftiger diagonaler Zug führt den Betrachter linearperspektivisch auf die Gartenbank, wo ein entspannt zurückgelehnter Mann einer jungen Dame beim Pflücken prächtig blühender Rosen zuschaut. Der rote Weg wird von einer Kaskade blauen Rittersporns flankiert. Krafttvoll durchfurcht eine satte grüne Bodenhecke wie eine „Lebens“-Linie das Bild. Die übersteigerte Farbpalette besticht, zugleich verzichtet Nolde nicht auf erzählerische Momente.

Nolde war mit zwei Werken in der Städtischen Kunstsammlung vertreten, die beide „entzogen“ wurden: Araber (1925 erworben, 1937 beschlagnahmt, heute im Museum Buchheim, Bernried; und Christus in Bethanien (1929 erworben, 1934 verkauft, heute Privatsammlung). Beide Werke waren auf einer „sanft-rot“ farbigen Wand gehängt.

 

Richard Scheibe (1879–1964)

Auf einem Esel reitender Christus, 1921

Richard Scheibe wurde in Chemnitz geboren. Nach seiner Studienzeit in Dresden und München übersiedelte er 1904 nach Berlin, wo er 1964 starb. 1921 hatte er zusammen mit Karl Schmidt-Rottluff und Max Dauthenday eine erste Ausstellung in der Städtischen Kunstsammlung Chemnitz. Es folgten weitere, 1929 zusammen mit Otto Mueller und Lili Graef und 1941 zusammen mit Josef Steib. Die Plastik des „auf einem Esel reitenden Christus“ wurde 1922 in der Galerie Arnold in Dresden für die Städtische Kunstammlung erworben. Ein wichtiger Ankauf für die geplante „Galerie der Moderne“, in welcher die Plastik ab 1926 zwischen zwei Gemälden von Karl Schmidt-Rottluff, das waren „Kranker Junge“ (1925 erworben. – 1937 beschlagnahmt. – Verbleib unbekannt) und „Bildnis Leo F.“ (1928 erworben. – 1937 getauscht. – heute Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Leihgabe aus Privatbesitz) einen gut gewählten Platz einnahm. Diese Plastik spiegelt eine künstlerische Schaffensphase wieder, die sich in den 1920er Jahren –realistisch-expressionistischen Tendenzen zugewandt hatte. Insgesamt stiess Scheibe mit seiner konventionellen, realistischen Figurenauffassung auf Zustimmung aller politischen Systeme, der Weimarer Republik, dem Nationalsozialismus und später auch im Nachkriegsdeutschland der 1950er Jahre. Zum 70. Geburtstag wurde er zum Ehrenbürger der Stadt Chemnitz ernannt.

 

Karl Schmidt-Rottluff (1884–1976)

Junger Mann mit Pfeife, um 1919

Männliche Bildnisse sind selten in Karl Schmidt-Rottluffs Œuvre.

1928 hatte Schreiber-Weigand ein Portrait von Leo Feininger aus dem Jahr 1915 erworben, dass ebenso wie andere verfemte Werke Schmidt-Rottluffs 1937 verkauft wurde.

Auffallend an diesem Gemälde des jungen Mannes ist vor allem die intensive, frische Farbigkeit aus vielen Grüntönen, die mit Akkorden aus Blau, Orange und Gelb akzentuiert sind. Die Farbe ist in größeren Flächen und dünnflüssig eingebracht, durchscheinend fast wie bei Aquarellfarbe. Schmidt-Rottluff platziert die Figur vor ein Fenster, so dass sie durch die beidseitig angebrachten Vorhänge einen weiteren Rahmen erhält. Der illusionistische Lichteinfall ermöglicht eine unterschiedliche farbliche Ausgestaltung der Gesichtshälften. Wenig dünne Linien markieren eine kubistische Physiognomie. Die schlanke, große Figur blickt mit weit geöffnetem Auge in die Welt des Betrachters. Sie lehnt an einem Tisch und ist fest im Bildgefüge verankert. Der gewinkelte Arm, die Pfeife in der Hand bilden ein geometrisches Echo zur farblich markierten Tischkante. Merkwürdig ist die blau übermalte Nase; auch ist das Bild nicht signiert, als wäre es noch nicht zufriedenstellend beendet worden.

Dargestellt ist der jüngere Künstlerkollege und Freund Curt Stoermer (1891 – 1976), den Schmidt-Rottluff in Hohwacht an der Ostsee malt. Dort verbrachte der Künstler zusammen mit seiner Schwester Gertrud und seiner frisch angetrauten Ehefrau Emy Frisch mehrere Arbeitswochen. Sie ist als Modell im Gemälde Mädchen zu sehen, das 1920 entstand und in seiner Farbigkeit und im Malstil als ein Pendant zum Jungen mit Pfeife gelten kann.

 

Karl Schmidt-Rottluff (1884–1976)

Landschaft im Herbst, 1910

Dieses besondere Gemälde entstand im Herbst 1910 während eines längeren Aufenthalts des Künstlers in Dangast. Es zeigt einen Geestrücken in der flachen Landschaft am Jadebusen in aufgewühlter, herbstlicher Abendstimmung. Mit seiner expressiven Farbenpracht und dem gestisch schnellen Pinselduktus gilt das Gemälde als eine der Inkunabeln des sogenannten Kollektivstils der Brücke-Künstler. Form wird der Farbe untergeordnet. Die Primärfarben Rot, Grün, Blau und Gelb stoßen in Komplementärkontrasten aufeinander. Farbakkorde werden zum Schwingen und Klingen gebracht. Der Farbauftrag ist flüssig und dünn, nur so gelingt es, die Empfindung der Landschaft unmittelbar und mit schöpferischem Impuls zum Ausdruck zu bringen.

Die Kunstsammlungen Chemnitz erwarben das Bild aus der 15. Ausstellung des Deutschen Künstlerbundes, die 1920 in Chemnitz stattgefunden hatte. Insgesamt neun Gemälde hatte Schreiber-Weigand in den 1920er Jahren vom Künstler erworben. Alle wurden am 19. August 1937 von den Nationalsozialisten beschlagnahmt oder vorher verkauft. Zunächst wurde dieses Gemälde in ein  Depot in der Berliner Köpenicker Straße verbracht. In der aufsehenerregenden Auktion Gemälde und Plastiken moderner Meister aus deutschen Museen in der Galerie Fischer in Luzern fand das Gemälde am 30. Juni 1939 zunächst keinen Käufer. Es wurde mit einem extrem niedrigen Schätzpreis ausgerufen. Danach ging es nach Deutschland zurück und wurde ins Schloss Niederschönhausen verbracht. Dort erwarb es der in Güstrow ansässige Kunsthändler Bernhard A. Böhmler, dessen Nachlass nach 1945 in das Museum Rostock überführt wurde. Als eines der wenigen beschlagnahmten Gemälde aus deutschen Museen wurde es von dort 1957 den  Kunstsammlungen der damals in Karl-Marx-Stadt umgenannten Stadt zurückgegeben; ein seltener Glücksfall.

 

Karl Schmidt-Rottluff (1884–1976)

Stilleben mit Figur, 1923

Dieses Stillleben zeigt vermutlich ein Motiv aus Schmidt-Rottluffs Wohnung in Berlin-Friedenau. Die Parterrewohnung in der Stierstraße 3, die ursprünglich von seiner Frau Emy Frisch allein bewohnt worden war, nutzten beide nach ihrer Heirat im Jahr 1919 gemeinsam.

Auf einer rothölzernen Kommode befinden sich verschiedene Gegenstände: die in einem Aschenbecher abgelegte Pfeife, eine bauchige Vase mit grünen Zweigen und die den Titel gebende Figur. Es ist eine Skulptur von außereuropäischer Herkunft, aus hellem, leichtem Holz, die sich im Nachlass des Künstlers erhalten hat. An der Wand hinter der Kommode befindet sich eine Uhr, die eine „symbolisch“ anmutende Uhrzeit anzeigt: es ist fünf vor zwölf in der Nacht.

Die Dinge werden in einer räumlich gefühlten Anordnung zueinander in Beziehung gebracht. Die Objekte sind dabei stärker als früher in ihrer plastischen Qualität dargestellt.