Kunstsammlungen am Theaterplatz
Sammlungspräsentation

Die Galerie der Moderne

Raumabfolgen der Galerie der Moderne im 2. OG der Kunstsammlungen Chemnitz, 2020, Foto: Alexander Meyer

Die Galerie der Moderne
Rekonstruktionen eines historischen Sammlungkonzepts

Galerie der Moderne
Eine programmatische museale Sammeltätigkeit begann in Chemnitz mit der Gründung der Städtischen Kunstsammlung im Jahr 1920. Als kommunales Institut hatte sie gemeinsam mit der Kunsthütte ihren Sitz im Museum. Gründungsdirektor des Museums wurde Friedrich Schreiber-Weigand, der seit 1911 den Kunstverein leitete und diese Aufgabe in Personalunion dann fortführte. Sein formuliertes Programm war es, der »Sammlung eine Formung zu geben, die es ihr ermöglicht, unter den jungen, aufstrebenden Museen bestehen zu können, die als Schöpfungen eines neuzeitlichen Städtegeistes entstanden sind«. Nach nur fünf Jahren gelang es ihm, über 185 Gemälde und 26 Plastiken zeitgenössischer Künstler zusammenzutragen. Zudem gründete er 1923 ein Grafisches Kabinett.
Trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage, trotz Inflation und einiger ideologischer Widerstände entstand bald darauf im 2. Obergeschoss der Kunstsammlungen am Theaterplatz die Galerie der Moderne als zeitgenössisches Display moderner Kunst. 1926 erhielt der Brücke-Künstler Karl Schmidt-Rottluff von Friedrich Schreiber-Weigand den Auftrag, diese Ausstellungsräume für eine damals noch innovative Präsentation von Kunst farblich zu gestalten. Vor den farbigen Wänden wurden hier Werke von Edvard Munch, Karl Schmidt-Rottluff, Wilhelm Lehmbruck, Ernst Ludwig Kirchner, Oskar Kokoschka und weiteren Künstlern gezeigt. Viele dieser Werke wurden im Zuge der Aktion „Entartete Kunst“ durch die Nationalsozialisten beschlagnahmt, manche in vorauseilendem Gehorsam zuvor schon veräußert. Nur wenige haben Ihren Weg zurück in die Kunstsammlungen gefunden.

Virtuelle Galerie der Moderne
Heute sind die Räume durch Kriegszerstörungen und Umbaumaßnahmen nur noch teilweise erhalten. Es wurde daher versucht, die Galerie der Moderne auf zweierlei Weise erfahrbar zu machen. Zum einen ist es nun möglich, die Galerie der Moderne wieder physisch zu betreten. In der entwickelten Rekonstruktion im 2. Obergeschoss repräsentiert je eine Farbwand (Gestaltung: Enzo Zak Lux) einen der damaligen neun Ausstellungsräume.
Anhand von alten Grundrissen und historischen Raumaufnahmen konnten die Ausstellungsräume aber auch virtuell rekonstruiert werden. Die farbige Gestaltung Schmidt-Rottluffs wurde nach damaligen Presseberichten, den niedergeschriebenen Erinnerungen Schreiber-Weigands und unter Berücksichtigung der Farbpalette des Künstlers in seinen damaligen Gemälden näherungsweise nachempfunden. Die gezeigten Werke sind durch die genannten historischen Quellen und unter Einbeziehung der Inventarbücher für die einzelnen Räume in den Jahren 1926 bis 1929 plausibel belegbar. Da Kunstwerke immer wieder ausgetauscht wurden oder Neuerwerbungen weichen mussten und die historischen Quellen nie die komplette Ausstellung wiedergeben, ist diese virtuelle Rekonstruktion, die über den Link erreicht werden kann, eine Zusammenfassung der Galerie der Moderne der 1920er Jahre und spiegelt nicht einen bestimmten Zeitpunkt wider.
>>> Klicken Sie hier für die virtuelle Rekonstruktion der Galerie der Moderne.


Für die virtuelle Umsetzung der Galerie der Moderne danken wir der Firma cura3D GmbH & Co KG, Leipzig, und dem besonderen Engagement von Philipp Orschler und Norman Beberhold. Werner Murrer Rahmen, München, danken wir für die Recherche und digitale Umsetzung der historischen Rahmungen.
Die Herausgeber haben sich intensiv bemüht, alle Rechteinhaber zu ermitteln. Sollte es im Einzelfall nicht gelungen sein, Rechteinhaber zu benachrichtigen, bitten wir diese sich bei uns zu melden. Berechtigte Ansprüche werden aber im Rahmen der üblichen Vereinbarungen abgegolten.

 

Friedrich Schreiber-Weigand und Karl Schmidt-Rottluff
Als Karl Schmidt nach seinem Abitur 1905 den Geburtsort Rottluff bei Chemnitz verließ, um in Dresden Architektur zu studieren, war nicht vorauszusehen, dass sein künstlerisches Werk zwanzig Jahre später im Museum Grundstock einer modernen Sammlung sein würde. Bereits 1909 waren Werke von Karl Schmidt-Rottluff in der Eröffnungsausstellung des Museums neben Werken von 200 Künstler:innen zu sehen. In den 1920er Jahren wird er noch vor Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel, Otto Mueller, Max Pechstein und Emil Nolde der mit Abstand am stärksten vertretene Expressionist sein. Neun Gemälde und zahlreiche Grafiken waren durch Stiftungen und Erwerbungen in die Sammlung gelangt. Karl Schmidt-Rottluff stand mit dem Museumdirektor Friedrich Schreiber-Weigand in freundschaftlichem Briefwechsel, beriet ihn bei Ankäufen und machte ihn mitunter auf andere Künstler aufmerksam.Regelmäßig besuchte der seit 1911 in Berlin lebende Künstler seine Familie und auch das Museum in Chemnitz. So wundert es nicht, dass ihn Schreiber-Weigand mit der künstlerischen Farbgestaltung seiner neuen Galeriekonzeption betraute.

 

Das Farbkonzept der Galerie der Moderne
Nicht mehr als wandfüllende Inszenierung, sondern als eine einreihige Präsentation der Kunstwerke nebeneinander in neutraler Architektur sollte die Sammlung präsentiert werden. Anliegen war es, den Autonomieanspruch der Kunst zu unterstreichen. Dabei entstand die Idee, den Farbton der Wände der einzelnen Räume auf die jeweiligen Kunstwerke anzupassen. Hierfür entwickelte Karl Schmidt-Rottluff ein Konzept. Die Malerarbeiten, je Raum eine Farbe, müssen im Februar 1926 erfolgt sein. Da aus dieser Zeit keine präzisen Dokumente oder Farbproben erhalten sind, folgt die Farbrekonstruktion Presserezensionen, Zeitzeugenberichten und Schwarz-Weiß-Fotografien; sie orientiert sich zudem an der Farbpalette der Gemälde Karl Schmidt-Rottluffs. Bereits damals hingen Oskar Kokoschka auf Kobaldtgrün, Edvard Munch und Wilhelm Lehmbruck vor lichtem Gelb, Ferdinand Hodler und Ernst Ludwig Kirchner auf Blau, Karl Hofer auf Braun.
Da viele Werke aus der damaligen Zeit verloren gegangen sind oder beschlagnahmt wurden, versucht diese Rekonstruktion sich mit erhaltenen Einzelwerken und repräsentativen Stellvertretern in einer verdichteten Anmutung der historischen Situation anzunähern und diese zugleich neu zu interpretieren.

>>> Klicken Sie hier für die Werkkommentare in dem Ausstellungsbereich Galerie der Moderne.

 

Beschlagnahmungen und Verluste »Entartete Kunst«
Viele der zwischen 1926 und 1929 gezeigten Arbeiten befinden sich heute nicht mehr in den Kunstsammlungen Chemnitz. Sie fielen zwischen 1934 und 1944 Verfemungen und Beschlagnahmungen als ›entartete Kunst‹ zum Opfer, wurden verkauft oder getauscht. Zahlreiche Werke befinden sich heute in anderen Museen und in Privatsammlungen. Einige sind verschollen. Nur ganz wenige Werke, wie Wilhelm Lehmbrucks Skulptur Kopf eines Denker oder Karl Schmidt-Rottluffs Gemälde Landschaft im Herbst konnten wieder erworben werden. Wenige der Werke, wie Oskar Kokoschkas Selbstportrait mit gekreuzten Armen, kamen als Leihgaben ins Haus zurück. Die Fotomontage zeigt alle Gemälde und Skulpturen in historischen Aufnahmen, die seinerzeit im Bestand der Kunstsammlungen Chemnitz waren. Nicht berücksichtigt werden konnten an dieser Stelle die ebenso umfangreichen Verluste im Bereich der Grafik.

 

Galerie

Raumabfolgen der Galerie der Moderne im 2. OG der Kunstsammlungen Chemnitz, 2020, Foto: Alexander Meyer
Raumabfolgen der Galerie der Moderne im 2. OG der Kunstsammlungen Chemnitz, 2020
Raumabfolgen der Galerie der Moderne im 2. OG der Kunstsammlungen Chemnitz, 2020, Foto: Alexander Meyer
Raumabfolgen der Galerie der Moderne im 2. OG der Kunstsammlungen Chemnitz, 2020
Raumabfolgen der Galerie der Moderne im 2. OG der Kunstsammlungen Chemnitz, 2020, Foto: Alexander Meyer
Raumabfolgen der Galerie der Moderne im 2. OG der Kunstsammlungen Chemnitz, 2020
Karl Schmidt-Rottluff (1884–1976), Stillleben mit Figur, 1923, Öl auf Leinwand , 76,2 x 90,4 cm , Kunstsammlungen Chemnitz , Foto: bpk/Kunstsammlungen Chemnitz/May Voigt  © VG Bild-Kunst, Bonn 2020
Karl Schmidt-Rottluff (1884–1976)
Stillleben mit Figur, 1923
Raumabfolgen der Galerie der Moderne im 2. OG der Kunstsammlungen Chemnitz, 2020, Foto: Alexander Meyer
Raumabfolgen der Galerie der Moderne im 2. OG der Kunstsammlungen Chemnitz, 2020
Raumabfolgen der Galerie der Moderne im 2. OG der Kunstsammlungen Chemnitz, 2020, Foto: Alexander Meyer
Raumabfolgen der Galerie der Moderne im 2. OG der Kunstsammlungen Chemnitz, 2020
Raumabfolgen der Galerie der Moderne im 2. OG der Kunstsammlungen Chemnitz, 2020, Foto: Alexander Meyer
Raumabfolgen der Galerie der Moderne im 2. OG der Kunstsammlungen Chemnitz, 2020
Raumabfolgen der Galerie der Moderne im 2. OG der Kunstsammlungen Chemnitz, 2020, Foto: Alexander Meyer
Raumabfolgen der Galerie der Moderne im 2. OG der Kunstsammlungen Chemnitz, 2020
Raumabfolgen der Galerie der Moderne im 2. OG der Kunstsammlungen Chemnitz, 2020, Foto: Alexander Meyer
Raumabfolgen der Galerie der Moderne im 2. OG der Kunstsammlungen Chemnitz, 2020
Raumabfolgen der Galerie der Moderne im 2. OG der Kunstsammlungen Chemnitz, 2020, Foto: Alexander Meyer
Raumabfolgen der Galerie der Moderne im 2. OG der Kunstsammlungen Chemnitz, 2020
Karl Schmidt-Rottluff (1884–1976), Landschaft im Herbst, 1910, Öl auf Leinwand , 87,7 x 95,6 cm, Kunstsammlungen Chemnitz , Foto: bpk/Kunstsammlungen Chemnitz/May Voigt  © VG Bild-Kunst, Bonn 2020
Karl Schmidt-Rottluff (1884–1976)
Landschaft im Herbst, 1910
Raumabfolgen der Galerie der Moderne im 2. OG der Kunstsammlungen Chemnitz, 2020, Foto: Alexander Meyer
Raumabfolgen der Galerie der Moderne im 2. OG der Kunstsammlungen Chemnitz, 2020