Kunstsammlungen am Theaterplatz
18. Sep 2011 – 8. Jan 2012

SAMT UND SEIDE

SAMT UND SEIDE
Französische Luxus-Stoffe aus der Epoche von Pierre-Auguste Renoir

Die Dessins des französischen Art Nouveau sind bis auf wenige Ausnahmen gewebt, weisen klassische Bindungstechniken auf und fügen sich in die lange und berühmte Tradition der Lyoner Seidenweberei ein, die über Jahrhunderte die Spitze der europäischen Seidenstoffe verkörperte. Zu sehen sind Samte und Seidenstoffe, die mit dem neuen Design des Art Nouveau um 1900 verbunden sind und in Lyoner Seidenwebereien – Firmen wie Cornille Fréres, Bouvard et Cie oder Tassinari et Chatel, die auf diesem Gebiet bahnbrechendes geleistet haben – hergestellt wurden. Frankreichs Ruhm als herausragender Produzent von Luxusstoffen insbesondere von Samten und Seiden basierte auf einem Jahrhunderte langen Ruf, Stoffe in bester Qualität und in bewährten und gefragten Mustern vergangener Epochen herzustellen, die Lyoner Seidenwebereien waren führend auf dem Weltmarkt.

Nach der Mehrzahl der erhaltenen Stoffe zu schließen, dominierte um 1900 ein naturalistischer Blumenstil in der Tradition des 19. Jahrhunderts. Die neue Richtung des Art Nouveau etablierte sich zunächst als eine Neuerung im Verbund mit der Vorliebe und Begeisterung für Kunst aus Japan, als gestalterische Alternative einer Avantgarde, die im Gegensatz zum Historismus stand. Der neue Stil manifestierte sich wesentlich in entsprechenden Interieurs und Raumausstattungen und den damit verbundenen Textilien. Meist auf den Weltausstellungen präsentiert und dem neuen Stil des Art Nouveau verpflichtet, zeigen diese kostbaren Samte und Seiden den Höhepunkt der technischen Herstellung und herausragende künstlerische Entwürfe dieser vom Umbruch und Aufbruch in die Moderne bestimmten Zeit.

Die gezeigten Samte und Seiden weisen raffinierte und artifizielle, elegante organische Formspiele des Art Nouveau auf. Bouquets aus Mohn, Seerosen, Veilchen, Orchideen, Iris, Flieder und Lilien verschlingen wellenartig ihre Stängel und Blüten miteinander. Schimmernde Atlasgründe mit Broschierung in Gold, Silber oder glänzenden farbigen Seiden sind das Kennzeichen der ausgestellten französischen Textilien. Das kostbar ausgeführte Detail erregt Aufmerksamkeit und gibt den Stoffen die viel gerühmte Noblesse.

Chemnitz gehörte zur Wende des 19. zum 20. Jahrhundert zu den prosperierenden und wohlhabenden Städten Deutschlands und war besonders als Zentrum der Textilindustrie bekannt. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass eine museale Textilsammlung 1898 als so genannte „Vorbildersammlung“ gegründet wurde, um angehenden Gestaltern und Musterzeichnern die Leitbilder ihres zukünftigen Berufs anschaulich nahe zu bringen. In einer Stadt wie Chemnitz, die in jenen Jahren maßgeblich von der Textil- und Textilmaschinenindustrie geprägt wurde, ist es naheliegend, dass hier ein umfangreicher und qualitätvoller textiler Sammlungsbestand zusammengetragen wurde, der weit über die Grenzen der Region ausstrahlte und heute zu den großen europäischen Textilsammlungen gehört. Die Sammlung besitzt eine reiche Auswahl an Exponaten um 1900, wobei die wichtigsten Zentren wie Großbritannien, Frankreich, Österreich, Deutschland und Italien umfassend vertreten sind. Schwerpunkt der Sammlung sind Dekorations- und Möbelbezugsstoffe, die oft von bekannten Künstlern und Architekten entworfen wurden. Dieses auf das Zeitgenössische und Internationale zielende Sammlungskonzept wurde auch nach dem Ersten Weltkrieg beibehalten und bis in die 30er Jahre des 20. Jahrhunderts fortgeführt, sodass die Kunstsammlungen Chemnitz heute eine der umfangreichsten und qualitätsvollsten europäischen textilen Kollektionen des 19. und 20. Jahrhunderts besitzen, die bis in die Gegenwart ergänzt und erweitert wurden.

Parallel findet die Ausstellung PIERRE-AUGUSTE RENOIR. Wie Seide gemalt statt.

 

ÖFFENTLICHE FÜHRUNG
Donnerstag 16 Uhr