Arbeit=Wohlstand=Schönheit

Honoré Daumier (1808–1879)

Daumier par lui-même, um 1855 / Guss 1956

Mit diesem Selbstporträt weicht Honoré Daumier von den üblichen klassischen Büstenformen jener Zeit ab. Aus einem grob gearbeiteten, stelenartigen Unterbau entsteht mit einer impressionistischen Oberfläche das Antlitz des Künstlers. Die unausgearbeiteten Partien dieser Plastik sind typisch für eine wesentlich spätere Form der Bildhauerei, welche der Vorstellungskraft des Betrachters einen größeren Spielraum gibt. Erst Jahrzehnte später wird Auguste Rodin mit Skulpturen und Plastiken im sogenannten Non-finito (Italienisch für unvollendet) berühmt.

 

Honoré Daumier (1808–1879)

Les femmes socialistes (Die sozialistischen Frauen), 1849

Die Kunstsammlungen Chemnitz besitzen einen umfangreichen grafischen Bestand von Honoré Daumier. Erich Goeritz (1889–1955) schenkte 1925 ein Konvolut von über 1100 Lithografien. Mit den Drucken besitzt Chemnitz die größte Sammlung außerhalb Frankreichs.

In 10 Bildern reagiert Daumier auf die damals aktuelle Frauenbewegung aus der Sicht seiner (überwiegend männlichen) Zeitgenossen: Das Ergebnis der Emanzipation sind Versäumnisse gegenüber Haushalt und Familie, denn die Verschwörung gegenüber den Ehemännern, die Gehorsamsverweigerung und Vernachlässigung des Haushaltes bedrohen die gesamte gesellschaftliche Ordnung.

 

Blatt 1 aus: Les femmes socialistes (Die sozialistischen Frauen)

L’insurrection contre les maris est proclamée le plus saint des devoirs !…

Der Aufstand gegen die Ehemänner wird zur obersten Pflicht erklärt! …

 

Blatt 2 aus: Les femmes socialistes (Die sozialistischen Frauen)

– Comme vous vous faites belle, ma chère?

– Ah ! c’est que je vais à un banquet présidé par Pierre Leroux … et si vous saviez comme il est vétilleux pour la toilette !…

– Wofür machen Sie sich so schön, meine Liebe?

– Ach, ich gehe zu einem Empfang unter dem Vorsitz von Pierre Leroux… und wie ihr wissen solltet, legt er großen Wert auf die Kleidung! …

 

Blatt 3 aus: Les femmes socialistes (Die sozialistischen Frauen)

– Il parait que les clubs vont être complètement fermés …

– Les réacs… ils n’auraient jamais osé faire cela avant que la légion des Vésuviennes fut dissoute !…

– Es scheint, dass die Clubs… geschlossen werden…

– Diese Reaktionäre… das hätten sie vor der Auflösung der Legion Vésuvienne niemals gewagt! …

 

Blatt 4 aus: Les femmes socialistes (Die sozialistischen Frauen)

– Ah ! il prétend m’empêcher d’aller communier avec nos huit cents frères à la barrière du Maine … il faut que je punisse tant d’insolence !

– Arrêtez, Églantine, laissez ce tyran aux remords de sa conscience.

– Oh! Er hat die Absicht, mich daran zu hindern, dass ich mit unseren achthundert Brüdern der Barriere von Maine in Verbindung trete… soviel Frechheit muss bestraft werden!

– Halt ein, Eglantine, lass dem Tyrann die Gewissensbisse seiner Überzeugung.

 

Blatt 5 aus: Les femmes socialistes (Die sozialistischen Frauen)

– Oui, ma chère, mon mari a ravalé ma dignité de femme jusqu’à me forcer ce matin à recoudre un bouton de bretelle !…

– Jour de ma vie, si un homme me forçait à travailler à sa culotte !…

– Ja, meine Liebe, mein Mann geht in der Verletzung meiner fraulichen Würde so weit, dass er mich heute Morgen gezwungen hat, einen Knopf an seine Hosenträger zu nähen!

– Was gäbe ich dafür, wenn ein Mann mich zwingen würde, seine Hose in Angriff zu nehmen!

 

Blatt 6 aus: Les femmes socialistes (Die sozialistischen Frauen)

… qu’est la femme aujourd’hui dans la société, rien ! Que doit-elle être ? tout … oui, tout, tout !…

– Ah ! bravo, bravo, c’est encore plus beau que le dernier discours de Jeanne Deroin !…

…was gilt die Frau heute in der Gesellschaft? Nichts! Was soll sie sein? … ja, alles, alles! …

– Oh! Bravo, bravo, das ist noch viel besser als die letzte Rede von Jeanne Deroin! …

 

Blatt 7 aus: Les femmes socialistes (Die sozialistischen Frauen)

– Ah ! vous êtes mon mari, ah ! vous vous êtes le maître … eh ! bien moi, j’ai le droit de vous flanquer à la porte de chez nous … Jeanne Deroin me l’a prouvé hier soir !… allez vous expliquer avec elle !…

– Ach, Ihr wollt mein Mann sein! Ihr wollt der Herr im Hause sein…Und ich, ich habe das Recht, Euch aus Eurer eigenen Wohnung hinauszuwerfen… Jeanne Deroin hat es mir gestern Abend erklärt! Geht und sprecht Euch mit ihr aus!

 

Blatt 8 aus: Les femmes socialistes (Die sozialistischen Frauen)

« Les délégués du club central socialiste ont à l’unanimité repoussé la candidature de Jeanne Deroin ! »

– Oh ! Les aristos !…

«Die Delegierten des Zentralverbands der Sozialisten haben sich geschlossen gegen die Kandidatur von Jeanne Deroin ausgesprochen!»

– Oh, diese Hochnäsigen! …

 

Blatt 9 aus: Les femmes socialistes (Die sozialistischen Frauen)

– Repoussée comme candidate à l’Assemblée Nationale, une porte me reste encore ouverte …laisse-moi Zénobie … ne trouble pas mes pensées…je suis en train de rédiger un manifeste à l’Europe !…

Als Kandidatin für die Nationalversammlung bin ich zwar abgelehnt worden, aber es bleibt mir doch noch eine Tür offen… lass mich, Zénobie… stör mich nicht beim Nachdenken… ich arbeite gerade an einem Manifest für Europa! …

 

Blatt 10 aus: Les femmes socialistes (Die sozialistischen Frauen)

– Ma femme reste bien longtemps à ce banquet … voilà bientôt quarante-huit heures qu’elle est partie !

Meine Frau bleibt aber lange bei diesem Bankett… jetzt ist sie schon fast 48 Stunden weg!

 

Max Klinger (1857–1920)

Ein Handschuh, Opus VI, 1881, 4. Ausgabe 1898

Blatt 1: Ort

Blatt 2: Handlung

Blatt 3: Wünsche

Blatt 4: Rettung

Blatt 5: Triumph

Blatt 6: Huldigung

Blatt 7: Ängste

Blatt 8: Ruhe

Blatt 9: Entführung

Blatt 10: Amor

Die Folge gehörte zur privaten Sammlung von Hans Hermann Vogel. Im Juni 1946 wurde seine Firma enteignet und die Kunst später dem Museum zugewiesen. Nach der Restitution ermöglichte 1995 seine Enkelin, Erdmuthe Ostmann-von Dewitz, durch eine großzügige Schenkung den Verbleib dieser Werke in der Sammlung.

Ein Handschuh ist Klingers populärster Radierzyklus. Er schildert den Fund eines Handschuhs, den eine Dame auf der Rollschuhbahn verliert. Der junge Mann hebt den Handschuh auf und erlebt im Schlaf abenteuerliche Träume, die um seine Verliebtheit kreisen. Die Erzählung besitzt autobiografischen Hintergrund. Während der Studienzeit an der Berliner Akademie lernte Klinger eine Kubanerin kennen, mit der er eine Liebesbeziehung begann.

 

Max Klinger (1857–1920)

Männlicher Halbakt mit Vollbart im verlorenen Profil nach links (Hephaistos), Karton zum Chemnitzer Rathausbild: Arbeit=Wohlstand=Schönheit, 1912

In der Grafischen Sammlung befinden sich 28 Kartonfragmente und Studienzeichnungen für das einzig erhaltene Wandbild des Künstlers. Es wurde 1911 von dem Textilunternehmer Herman Vogel anlässlich der Einweihung des Neuen Rathauses in Chemnitz beauftragt. Das Wandgemälde mit dem Titel Arbeit=Wohlstand=Schönheit wurde 1918 vollendet. Es zeigt im Vordergrund neun Musen und ein Gruppe von Göttern aus der griechischen Mythologie. Als Vorlage für den monumentalen Männerakt diente eine Zeichnung des Artisten und Bodybuilder Lionel Strongfort. Strongfort, eigentlich Max Unger, trat mit seinem Programm auch im Leipziger Krystallpalast auf und stand Max Klinger Modell.

 

Max Klinger (1857–1920)            

Kassandra, 1895 / Guss nach 1903

Die Bronze basiert auf einer 1895 entstandenen Halbfigur Max Klingers aus Marmor. Klinger widmet sich in dieser Arbeit dem Schicksal der trojanischen Prinzessin Kassandra. Ausgestattet mit der Gabe die Zukunft zu sehen, aber vom Gott Apollon verflucht, sah sie zwar den Untergang Trojas vorher, konnte diesen jedoch nicht verhindern. Klinger reduziert hier die Tragik ihrer Person ganz auf die Form einer Büste. Der Fokus liegt auf ihrem ernsten, vom drohenden Unheil wissenden Blick. Die grüne Patina als Ausdruck der Hoffnung, die Tragödie doch noch abwenden zu können, gibt dem Werk eine zusätzliche symbolische Bedeutung.

 

Arthur Lewin-Funcke (1866–1937)  

Sandalenbinderin, 1906 / Guss 1916

Die Sandalenbinderin stellt eines der Hauptwerke des Künstlers dar und ist gleichzeitig eine Auseinandersetzung mit einem klassischen Motiv der Antike. Ein erster Guss wurde bereits 1913 von den Kunstsammlungen erworben, musste aber um 1943 zur Metallspende abgegeben und eingeschmolzen werden. Neben diesem 1988 erworbenen zweiten Exemplar ist lediglich eine weitere lebensgroße Ausführung im Rathaus von Berlin-Zehlendorf bekannt.

 

Constantin Emile Meunier (1831–1905)

Die Industrie, 1901

Constantin Meunier wurde bekannt für seine Motive aus der Welt der Arbeit und der Industrie. Dieses Relief widmet sich dem industriellen Produktionsprozess und entstand als Vorarbeit zu einem der vier Sockelreliefs in seinem Monument der Arbeit in Brüssel. Meunier fertigte mehrere Fassungen der Plastik in verschiedenen Größen an. Das Chemnitzer Exemplar basiert auf einem weniger detaillierten Reliefentwurf von 1890.

 

Georges Mosson (1851–1933)

Kaffeehaus, 1889

-en-Provence geborene Georges Mosson lebte seit 1865 in Berlin und gehörte zu den führenden Impressionisten im Kreis um Max Liebermann. Dieses früh entstandene Werk ist eines der seltenen Interieurbilder des Malers. Es zeigt das Innere eines Cafés, dessen dicht gedrängt sitzende Gäste und eifrige Kellner im diffusen Zigarettenqualm eingehüllt scheinen. Das Lachen, der Lärm, Gesprächsfetzen und Geschirrklappern scheinen hörbar zu werden. Das Gemälde wurde auf Wunsch des Museums im November 1932 vom Künstler selbst restauriert, da eine unter dem Bild liegende Schicht eines älteren Entwurfs durchschlug.

 

Ludwig Muhrmann (1886–1970)

Erntearbeiter, 1913

Flirrende Hitze umgibt den vom Künstler monumental ins Bild gesetzten Erntearbeiter. In seinem Arm und seiner Hand hält er je einen Tonkrug. Gekonnt hat der Künstler die Materialität der Tonkrüge dargestellt. Mit warmen sandigen Farbtönen und farbigen Schatten hat der Künstler die sommerliche Hitze und Trockenheit erfasst.

Bis zur Restaurierung 2017 wirkte das Gemälde grau und trüb. Schmutzablagerungen von vielen Jahrzehnten veränderten das Gemälde. Die Leinwand war wellig und schlaff. Durch das Nachspannen der Leinwand und eine Reinigung der Bildoberfläche mit Spezialschwämmen, konnte die vom Künstler beabsichtigte Farbigkeit zurück gewonnen werden.

Detlef Göschel, Gemälderestaurator

 

Julius Scholtz, Bildnis Helene Theresie Gräfin von Einsiedel-Wolkenburg, 1874

Julius Scholtz (1825–1893)  

Bildnis Helene Therese Gräfin von Einsiedel-Wolkenburg, geb. Keysselitz, 1874

Dargestellt ist die 22-jährige Gräfin von Einsiedel-Wolkenburg (1852-1907). Mit Ihrer Heirat 1872 wurde sie in die einflussreiche Familie von Einsiedel aufgenommen und lebte auf Schloss Wolkenburg. Sie trägt ein prächtiges weißes, der Mode der frühen Gründerzeit entsprechendes Kleid. Zahllose Schleifen, Bänder und zarte Spitzen zieren effektvoll die Fülle des weißen Stoffes. Gekonnt setzt der Maler feinste Nuancen von Weiß gegeneinander, spielt mit dem Glanz von Seide, Tüll und Licht. Der üppigen Stoffpracht ist mit einem pastellartig vertriebenen Farbauftrag das charmante zarte Gesicht entgegengesetzt. Einen Glaceehandschuh tragend, ist der Hund der Familie unten links im Bild zu sehen.

 

Max Slevogt, Dame in Braun (Else Bernau), 1908

Max Slevogt (1868–1932)

Dame in Braun (Else Berna), 1908

Stolz, sinnlich und selbstbewusst blickt die junge Frau wie von einer Bühne aus ins Publikum. Dargestellt ist die Theater- und Filmschauspielerin Else Berna, die unter anderem zwischen 1906 – 1908 als Sängerin am Berliner Metropol-Theater auftrat und später in Filmen mit Emil Jannings und Pola Negri spielen wird. Slevogt zeigt die junge Frau in braunem, mit Federboa besetztem Kostüm, mit einem üppigen Hut, edlen Handschuhen und einer weich fallenden Bluse. Ihr standhafter Blick gerät durch malerisch-vehemente und lichte Pinselstriche in Bewegung. Ein Meisterwerk von Slevogt, der mit Max Liebermann und Lovis Corinth zum Dreigestirn des deutschen Impressionismus zählt.

 

Max Slevogt (1868–1932)

Bildnis des Kommerzienrates Hans Hermann Vogel, 1925

Die Industriellenfamilie Vogel trat Anfang des 20. Jahrhunderts vielfach als Unterstützer und Förderer der Kultur in Chemnitz ein. So schenkte Hans Hermann Vogel (1867–1941) dem Kunstgewerbeverein anlässlich der Eröffnung des Museums circa 600 Stofffragmente ägyptischer Textilien aus spätantiker und frühislamischer Zeit. Sein Vater Hermann Vogel (1841–1917) stiftete zum selben Anlass 200.000 Mark, hauptsächlich für den Ankauf von Kunstwerken für die städtische Sammlung. Anfang 1911 gab er außerdem das Wandgemälde Arbeit=Wohlstand=Schönheit bei dem befreundeten Künstler Max Klinger für das Chemnitzer Rathaus in Auftrag.

 

Robert Sterl (1867–1932)

Sonniger Steinbruch, 1910

Die Darstellung der Steinbrecher geschieht hier außerordentlich malerisch. Mit skizzenhaftem Pinselduktus in hellen Farben sind Licht und Helligkeit eigentliches Thema des Bildes. Der Künstler und Sohn eines Steinmetzes hatte im Elbsandsteingebirge viele Möglichkeiten, Studien von Arbeitern im Steinbruch zu machen. Überhaupt ist die Darstellung tätiger Menschen – vom Dirigenten bis zum Stahlarbeiter – ein roter Faden im Schaffen des Künstlers, der ab 1906 als Professor an der Dresdner Kunstakademie lehrte. Sterl galt lange als Geheimtipp. Erstmals erlangte er 1928 größere Anerkennung und zwar genau hier in den Kunstsammlungen Chemnitz, als ihm Schreiber-Weigand eine Einzelausstellung ausrichtete.

 

 

Hans Unger (1872–1936)

Am Morgen, o. J. (um 1915)

Hans Unger war die prägende Künstlerfigur der Jahrhundertwende in Dresden. Bis 1914 entstand ein Oeuvre, in dem er sich mit der idealistischen Kunst des 19. Jahrhunderts und seinen Zeitgenossen Arnold Böcklin und Max Klinger auseinandersetzte. Charakteristisch für sein Schaffen sind symbolistische Frauendarstellungen. Mitte der 1910er Jahre wurde Ungers Pinselstrich gröber; er trug die Farbe nun in pastosen Schichten übereinander auf, sodass eine reliefartige Oberflächenstruktur entstand. 1913 widmete die Kunsthütte Chemnitz Hans Unger eine umfangreiche Einzelausstellung.

 

Henry van de Velde (1863–1957)

Jardinière, 1903

Die Jardiniere (Blumenschale) befand sich einst im Speisezimmer der Villa Esche in Chemnitz. Die formschöne Schale wurde im Gießverfahren hergestellt. Das interessante Farbspiel in Gelb-Blau entstand durch eine geringe Beigabe Eisenoxid in die titanoxidhaltige Feldspatglasur. Die leichte Trübung wurde hierbei durch das Titanoxid verursacht. Im Reduktionsbrand bilden solche Glasuren eine fleckige Oberfläche. Die Gelbfärbung oben und die Blaufärbung unten entstand vermutlich durch Reoxidation durch mehr Kühlluft im oberen Teil des Ofens oder durch eine geringere Reduktionswirkung der Rauchgase.

 

Oskar Zwintscher (1870–1916)

Gold und Perlmutter, 1909

In augentäuschender Perfektion malte Oskar Zwintscher die titelgebenden Gegenstände, das Perlmuttkästchen und den goldenen Hals- und Armreif. Die Aktdarstellung seiner Frau Adele, wird fast zur Nebensache. Bei der 1995 durchgeführten Restaurierung wurden lockere Farbbereiche gesichert, Schmutz, vergilbter Firnis und mehrere großflächige Retuschen von der Oberfläche abgenommen. Die wellige und deformierte Leinwand ist geglättet und nachgespannt worden. Fehlstellen in der Malschicht hat man anschließend retuschiert. Der Schmuckrahmen bekam eine neue Blattmetallauflage.

Detlef Göschel, Gemälderestaurator