Prägende Zeitgenossen: Barlach, Feininger, Kollwitz, Munch

Edvard Munch (1863–1944), Das kranke Kind I, 1894, Aus: Acht Radierungen, Berlin: Verlag Julius Meier-Graefe 1895, Kaltnadelradierung, 39 x 29,3 cm, Kunstsammlungen Chemnitz, Foto: bpk/Kunstsammlungen Chemnitz/May Voigt

Ernst Barlach (1870–1938)

Fluch (Blatt 1 aus: Die Ausgestoßenen), 1922

Ernst Barlach legt in der großformatigen Darstellung seine gesamte Konzentration auf die abgebildete Person. Eine gebeugte ältere Frau steht mit zusammengelegten Händen in einer hügeligen Landschaft. Der Passepartoutausschnitt wurde im Vorfeld der Ausstellung erweitert, wodurch jetzt der gesamte gedruckte Bereich erkennbar ist. Sichtbar ist nun aber auch ein Lichtrand, der durch die Einwirkung des Lichtes auf die nicht abgedeckten Teile des Papiers entstanden ist. Die Kreidelithografie ist auf ein J.W. Zanders Bütten gedruckt, ein oft verwendetes Papier der damaligen Zeit.

Anja Leistner, Grafikrestauratorin

 

Ernst Barlach (1870–1938)       

Grablegung, 1917

Ikonographisch ist die Grablegung Barlachs ungewöhnlich und entspricht nicht der christlichen Darstellungstradition. Barlach zeigt hier einfache und arme Menschen. Eine Totenklage findet hier statt: Im Zentrum die kniende und verhüllte Figur, links ein ‘Fiedler’, rechts ein blinder Bettler, beide in diagonaler Achse auf die Mittelfigur bezogen. Am rechten Bildrand liegt in leichter Aufsicht und Schauansicht (für uns Betrachter) die verstorbene Figur in einem flachen Grab. Barlachs Holzskulpturen wurden über mehr als zwei Jahrzehnte hochgeschätzt. Von drei Holzskulpturen, die das Haus bis zum Jahre 1933 erwarb, konnte nur dieses vor den Beschlagnahmungen durch die Nationalsozialisten verwahrt werden.

 

Lyonel Feininger (1871–1956)

Zottelstedt, 1918

Der Hochdrucktechnik des Holzschnitts wandte sich Feininger innerhalb seines druckgrafischen Schaffens besonders intensiv zu. Stimmungen stellt er mit Kontrasten zwischen Schwarz und Weiß dar. Der Einfluss des Papiercharakters auf die Wirkung des Druckes war dem Künstler außerordentlich wichtig und er experimentierte mit einer großen Vielfalt von Papieren. Für die gezeigte Grafik wählte er ein exklusives Japanpapier.

Das Blatt ist freigestellt, sodass alle Beschriftungen darauf sichtbar sind.

Anja Leistner, Grafikrestauratorin

 

Käthe Kollwitz (1867–1945)

Frau mit totem Kind, 1903

Die Zeichnung ist Teil einer Gruppe von Arbeiten aus dem Jahr 1903, welche den Schmerz und die Trauer einer Mutter um ihr totes Kind thematisieren. Ausgangspunkt der intensiven Auseinandersetzung mit dem Thema war die Arbeit an dem Grafikzyklus zum Bauernkrieg. Käthe Kollwitz greift hier die christliche Bildformel der Pieta auf, in der auf dem Schoß Marias der toten Leichnam ihres Sohnes liegt. Einfühlsam und berührend ist das Motiv umgesetzt: In der engen Umarmung der Mutter wird der Körper des toten Sohnes ganz umfangen.

Auf der Rückseite des Blattes hat die Künstlerin die Zeichnung in groben Umrissen mit Rötel nachgezeichnet.

 

Edvard Munch (1863–1944)

Das kranke Kind I (aus: Acht Radierungen), 1894

Edvard Munch verarbeitete mit dem Motiv traumatische Erinnerungen an sein Elternhaus. Das vom großen Kissen gestützte Mädchen zeigt seine Schwester Sophie, die 1877 im Alter von 15 Jahren an Tuberkulose starb. Mit fünf Jahren musste er bereits das Sterben der 30-jährigen Mutter verarbeiten. Unter dem eigentlichen Bildfeld befindet sich eine Landschaftsskizze mit einem einzelnen Baum. Der Eindruck des Unvollendeten ist von Munch gewünscht. Die Verbindung der beiden unterschiedlichen Szenen kombinieren das Ende des Lebens mit der Natur als Symbol für den Neubeginn.