Museum Gunzenhauser
1. Okt 2017 – 14. Jan 2018

Johannes Grützke

Johannes Grützke
»Kunst ist nicht modern, sondern immer!«

Zum zehnjährigen Jubiläum des Museums Gunzenhauser zeigen die Kunstsammlungen Chemnitz eine Sonderausstellung mit Werken des Berliner Künstlers Johannes Grützke (1937–2017). Erstmals widmet das Museum Gunzenhauser damit einem einzelnen zeitgenössischen Künstler eine große monografische Schau, in der etwa 150 Gemälde, Zeichnungen, Druckgrafiken, Plakate und plastische Arbeiten zu sehen sind. Die umfassende Präsentation des eigenen Bestandes mit Hauptwerken wie Die Erziehung Alexanders (1978) und Faunsbesuch (1982) wird durch ausgewählte Leihgaben aus Museen und Privatsammlungen ergänzt.

Der im Mai 2017 kurz vor seinem 80. Geburtstag verstorbene Johannes Grützke war ein enger Freund des Galeristen und Sammlers Alfred Gunzenhauser (1926–2015) und wurde über mehr als drei Jahrzehnte von dessen Münchner Galerie vertreten. Der langen Freundschaft und Zusammenarbeit beider verdankt das Museum Gunzenhauser heute eines der umfangreichsten Konvolute von Werken eines zeitgenössischen Künstlers im eigenen Sammlungsbestand. Als erste große retrospektive Ausstellung nach dem Tod Grützkes ist die Schau mit seinem wohl bekanntesten Zitat überschrieben: „Kunst ist nicht modern, sondern immer!“ Wie ein Credo setzte er es unverdrossen den nicht immer einfachen Umständen seiner Rezeption als Künstler entgegen – wenn er mit allgemeinen Vorbehalten gegenüber der modernen und zeitgenössischen Kunst konfrontiert wurde, aber auch, wenn er manchem seiner Zeitgenossen nicht modern genug erschien. Mit seinem drastischen Realismus voller Ironie und Zuspitzung stand er im Widerspruch zur abstrakten Moderne, die seit den frühen 1950er-Jahren die Kunst in der Bundesrepublik Deutschland dominierte.

1973 gründete er mit seinen Weggefährten die Schule der Neuen Prächtigkeit und griff hier in ironischer Brechung das klassische Genre der Historienmalerei auf. Besonders bekannt wurde in diesem Zusammenhang sein 1991 vollendeter monumentaler Wandfries für die Frankfurter Paulskirche mit einer Darstellung der ersten Nationalversammlung von 1848. In der Ausstellung zeigen zahlreiche Werke beispielhaft Grützkes historische Bezugnahmen: von der antiken Mythologie über die Sagenwelt des Mittelalters bis hinein in das 20. Jahrhundert mit seinen visionären Gesellschaftsentwürfen, aber auch den Katastrophen der Kriege und totalitären Regime. Hinzu kommen viele kulturgeschichtliche Bezüge in Gemälden wie Bach, von seinen Kindern gestört (1975) oder Motiven der Grafikserie Musik (2014). In ihnen spiegelt sich Grützkes musikalische Passion, der er neben der Malerei aktiv über Jahrzehnte in dem bereits 1965 gegründeten, der Fluxus-Bewegung nahestehenden Ensemble Die Erlebnisgeiger nachging.

Neben Grützkes moderner Wiederbelebung des historischen Genres steht auch sein vielfältiges Wirken als Porträtist im Mittelpunkt der Ausstellung. Bildnisse des Museumsstifters Alfred Gunzenhauser und von dessen Mutter Maria werden ebenso gezeigt wie Darstellungen von zeitgenössischen Schauspielern, Verwandten, Freunden und Künstlerkollegen. Besonders auffällig aber ist die große Zahl der ausgestellten Selbstbildnisse. Sie reichen von grimassierenden Porträts bis hin zu freizügigen Aktdarstellungen, in denen der Künstler selbst zum ersten Objekt seiner fast obsessiven, aber auch schonungslos offenen und selbstironischen Beobachtungs- und Darstellungsfreude geworden ist.