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21. August 2021

Tagung: Kunst und Welt im Übergang. Visionen und Skepsis im Jahr des Mauerbaus 1961

Carlfriedrich Claus, Erster versuchender doppelseitiger Schreibakt, 1961, Feder, Tusche beidseitig auf Seidenpapier, gefalzt, 20,5 × 13,2 cm, Kunstsammlungen Chemnitz, Stiftung Carlfriedrich Claus-Archiv, Foto: Kunstsammlungen Chemnitz, Stiftung Carlfriedrich Claus-Archiv/László Tóth

Hier finden Sie die Links zur digitalen Teilnahme an der Tagung:

Donnerstag:
https://stadt-chemnitz.webex.com/stadt-chemnitz/j.php?MTID=m0bc6527c5e1a871d8d4bb523a9fa52fd

Freitag:
https://stadt-chemnitz.webex.com/stadt-chemnitz/j.php?MTID=m5864dff20a5957c71022dd6a1f6a19af

Donnerstag 9.9. und Freitag 10.9.2021
in den Kunstsammlungen am Theaterplatz

Im Jahr 1961 beschrieb und bezeichnete der in Annaberg-Buchholz lebende Künstler Carlfriedrich Claus zum ersten Mal beidseitig transparentes Material in einem dialogischen Verfahren, indem er das Blatt während der Arbeit immer wieder wendete. So konnten die Schreib- und Zeichenspuren im Entstehen aufeinander reagieren und miteinander in Beziehung treten. Die beiden Blattseiten waren gleichberechtigte Bestandteile des Werkes und erweiterten es solcherart hin zum Raum und zum Objekt. Er arbeitete hochkonzentriert und gänzlich zurückgezogen; intellektuell aber war er breit vernetzt.

Der Mauerbau 1961 in Berlin veränderte seine Arbeitsmöglichkeiten fundamental. Reisen nach Berlin (West), wo er zuvor relativ regelmäßig Ausstellungen besucht und persönliche Kontakte gepflegt hatte, waren nun unmöglich. Stattdessen wuchs der Radius seiner Korrespondenzpartner jährlich an und wurde zunehmend international. Seine Sprachblätter verstand er als Experimentierfeld für unerprobte individuelle Möglichkeiten der Selbstgestaltung als ersten Schritt zu innerweltlichen Veränderungen. Zugleich waren sie das Medium, andere an diesem Experiment zu beteiligen.

Während sich in der internationalen Politik die Fronten verhärteten und Grenzen abgeriegelt wurden, suchten Künstlerinnen und Künstler weltweit nach neuen Wegen, durch ihre Arbeit Räume zu öffnen und zu erweitern. Die documenta II 1959 in Kassel feierte das Informel und den Abstrakten Expressionismus als »Modellfall von Menschheitskultur« (Werner Haftmann). Aber anstelle eines (westlichen) international verbindlichen Stils entwickelten sich um 1960 zahllose neue Perspektiven und Ausdrucksformen, die mit Lust am Experiment und einer gestiegenen sozialen Aufmerksamkeit einhergingen. Stärker rationale, objektivierende Bildpraktiken fanden zunehmendes Interesse. Auch in Osteuropa und der Sowjetunion keimten – allen offiziellen Verlautbarungen und Drohgebärden zum Trotz – parallel zu den affirmativen Staatskünsten gegenläufige Tendenzen auf. Diese künstlerischen Experimente waren häufig mit Vorstellungen neuer Lebensformen verknüpft, die seitens der Nomenklatura nicht unwidersprochen blieben.

Die Umbruchsituation um das Jahr 1961 ist Thema dieser wissenschaftlichen Tagung, die anlässlich der laufenden Ausstellung Nähe und Distanz. Carlfriedrich Claus und Gerhard Altenbourg im Dialog in den Kunstsammlungen Chemnitz stattfindet.

Programm
Donnerstag, 9. September 2021

9:00–9:15 Uhr
Dr. Frédéric Bußmann (Kunstsammlungen Chemnitz): Begrüßung

9:15–10:00 Uhr
Brigitta Milde (Kunstsammlungen Chemnitz – Stiftung Carlfriedrich Claus-Archiv): Doppelseitig und transparent. Claus‘ Öffnung des künstlerischen Raums im Jahr der Mauerschließung

10:00–10:45 Uhr
Dr. des. Anne-Kathrin Hinz (Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Forschungsstelle Informelle Kunst): Zwischen »Abstraktion als Weltsprache« und »Neuen Figurationen«. Die Kunst des Informel im Übergang zu den 1960er-Jahren

10:45–11:30 Uhr
Hanna Krug (Philipps-Universität Marburg): Über Grenzen hinweg – Internationale Vernetzungsstrategien der Gruppe ZERO um 1961

11:30–12:15 Uhr
Marie Winter (Kunstsammlungen Chemnitz – Stiftung Carlfriedrich Claus-Archiv): nota, dato, ZERO. Carlfriedrich Claus und seine Verflechtungen innerhalb der Avantgarden der 60er Jahre

12:15–14:00 Uhr Mittagspause

14:00–14:45 Uhr
Jeannine Harder (Leipzig): Die Polnische Schule der Plakatkunst. Ihre Position im internationalen Grafikdesign und als Vehikel transnationaler Kulturpolitik um 1960

14:45–15:30 Uhr
Philipp Freytag (Leipzig): Prag 1961 – zum Werk der Fotografin Emila Medková zwischen Februarumsturz und Prager Frühling

15:30–16:15 Uhr
Dr. Gregor H. Lersch (Jüdisches Museum Berlin): Periphere Netzwerke in den Socialist Sixties der Kunst in der DDR

16:15–16:30 Uhr Kaffeepause

16:30–17:15 Uhr
Dr. Dietmar Elger (Gerhard Richter Archiv, Staatliche Kunstsammlungen Dresden): Gerhard Richter 1961: »Es ist, wie es ist«

17:15–18:00 Uhr
Dr. Eckhart Gillen (Berlin): Um 1960: Die Neoavantgarden legen die Axt an den Idealismus der abstrakten Kunstsprachen (Onlinevortrag)

 

Freitag, 10. September 2021

9:00–9:45 Uhr
Dr. Kornelia Röder (Staatliches Museum Schwerin): New York Correspondance School (NYCS) – Erstes Netzwerk der Mail Art

9:45–10:30 Uhr
Petra Stegmann (Kunsthalle Wilhelmshaven): »Now the good news …«. George Maciunas und das Fluxus-Netzwerk zu Beginn der 1960er-Jahre

10:30–11:15 Uhr
Dr. Anke Hervol (Akademie der Künste Berlin): Gerhard Altenbourg und die Stipendiaten an der Akademie der Künste Berlin (West) 1961

11:15–12:00 Uhr
Felice Fey (Berlin): Polarisierung zur Ausstellung »Junge Künstler« der Akademie der Künste in Berlin (Ost) 1961

12:00–13:45 Uhr Mittagspause

13:45–14:30 Uhr
Evgeniya Yarkova (Leipzig): Die Moskauer experimentelle Kunst der 1960er Jahre: Die Gruppe »Bewegung« als Teil globaler künstlerischer Netzwerke

14:30–15:30 Uhr
Prof. Dr. Martin Schieder (Universität Leipzig): »Ein Schiff wird kommen und meinen Traum erfüllen«. Der DEFA-Film Drei von vielen von Jürgen Böttcher, 1961 (+ 30 Minuten Film)

Die Tagung findet live vor Ort und online statt.

Um Anmeldung wird gebeten unter: carlfriedrich-claus-archiv@stadt-chemnitz.de